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Der Himmelstempel

Der Himmel auf Erden

Der Himmelstempel bzw. Himmelsaltar (天壇 Tiāntán) ist ein chinesischer Tempelkomplex mit religiösen Gebäuden im südöstlichen Teil von Peking, der traditionell unter Aufsicht des Kaisers stand. Die Anlage wurde von den Kaisern der Ming (1368 – 1644) und Qing (1644 – 1911) Dynastien für jährliche Gebetszeremonien für eine gute Ernte besucht.

Es ist das größte und repräsentativste Meisterwerk der alten Opfergebäude in China, zuerst erbaut im Jahre 1420, dem 18. Jahr der Herrschaft des Kaisers Yongle (永乐Yǒnglè) der Ming-Dynastie. Dieser Kaiser gilt als einer der herausragensten Kaiser der chinesichen Geschichte. Er wird auch als Ernenner Pekings zur Hauptstadt des chinesischen Reiches und als Erbauer der Verbotenen Stadt gehandelt. Desweiteren liess Kaiser Yongle eine berühmte Hochseeflotte bauen, die unter Admiral Zhèng Hé (郑和) bis nach Arabien und Ostafrika reiste, Handel trieb und dabei viele Entdeckungen für China machte. Diese Schiffe legten dabei mehr als 50.000 km zurück und brachten viele wertvolle Güter und Schätze wieder mit nach China zurück.

Mit einer Fläche von 2,7 Millionen Quadratmetern ist die Tempelanlage mit weitläufigen Parklandschaften größer als die Verbotene Stadt und dies hat einen ganz besonderen Grund, denn als „Söhne des Himmels“ war es den chinesischen Kaisern verboten, Anlagen zu bauen, die größer waren als die irdische Residenz des Himmels, dem Himmelstempel.

Der Tempel ist von einer langen Mauer umgeben. Der nördliche Teil der Mauer ist halbkreisförmig angelegt und symbolisiert den Himmel und der südliche Teil ist quadratisch gebaut worden und symbolisiert die Erde, denn nach traditioneller chinesischer Überzeugung ist der Himmel rund und die Erde quadratisch. Der nördliche Teil der Anlage ist höher gebaut worden als der südliche Teil. Dieser Entwurf zeigt, dass der Himmel hoch und die Erde niedrig ist.

Die drei Hauptgebäude
Die drei Hauptgebäude sind nach strengen philosophischen und theologischen Ideen ausgerichtet und liegen am südlichen und nördlichen Ende der Mittelachse des inneren Teils. Die prächtigsten Bauwerke sind:

  • Die „Halle der Ernteopfer“ (祈年殿, qíniándiàn)
  • Die „Halle des Himmelsgewölbes“ (皇穹宇, huángqióngyǔ)
  • Der kreisförmige „Hügelaltar“ (圜丘 坛 yuán qiū tán)

Die „Halle der Ernteopfer“ ist ein prächtiges dreifach-giebeliges, kreisförmiges Gebäude. Diese Halle wurde auf einer drei ebigen Marmorplattform gebaut, die einen Durchmesser von 36 Meter hat und 38 Meter hoch ist. Hier hat der Kaiser für gute Ernten gebetet. Das Gebäude ist komplett aus Holz gebaut worden. Ein architektonisches Meisterwerk ist dabei, dass keine Nägel für den Bau zum Einsatz gekommen sind. Das ursprüngliche Gebäude wurde durch einen von einem Blitzschlag und eines daraus resultierenden Feuers im Jahre 1889 verbrannt. Das heutige Gebäude wurde mehrere Jahre nach dem Vorfall neu aufgebaut.

Die „Halle des Himmelsgewölbes“ (皇 穹 宇) ist ein einteiliges kreisförmiges Gebäude, das auf einem Marmorsockel erbaut worden ist. Es liegt südlich der „Halle der Ernteopfer“ und ähnelt dieser Halle sehr, ist jedoch kleiner in seinen Dimensionen. Die „Halle des Himmelsgewölbes“ ist umgeben von einer glatten kreisförmigen Wand, die Echo-Wand, die Töne über große Entfernungen übertragen kann.

Die beiden genannten Hallen sind durch die 360 Meter lange Danbi-Brücke (丹陛桥, dānbìqiáo) miteinander verbunden. Diese Brücke verbindet den nördlichen und südlichen Teil der Anlage. Die gesamte Tempel-Achse mit Terrasse und Hallen ist 1200 Meter lang und wird von alten Bäumen flankiert. Damit ist der Himmelstempel nach eigenen Angaben die längste Anlage zur Himmelsanbetung der Welt.

Der Hügelaltar ist eine kreisförmige Plattform, die sich über drei Marmorebenen emporhebt. Die Mitte des Altars ist eine runde Schieferplatte mit dem Namen „Herz des Himmels“ (天 心 石Tiānxīn shí ) oder der „Höchste Yang“ (太阳 石Tàiyáng shí), wo der Kaiser für günstiges Wetter gebetet hat. Dank der Gestaltung des Altars wird der Klang des Gebets von der Leitplanke reflektiert, wodurch eine Resonanz entsteht, die dem Kaiser helfen sollte mit dem Himmel besser kommunizieren zu können. Der Altar wurde 1530 vom Jiajing-Kaiser (嘉靖) erbaut und ist 1749 ausgiebig renoviert.

Symbolik
Jedes Gebäude, jede Mauer und jegliches Detail stecken voller Symbolen und Bedeutungen. Besonders die Zahl 9, die den Kaiser symbolisiert, findet sich immer wieder. Der zentrale Punkt des Hügelaltars ist umringt von neun Platten, die dann wiederrum mit einem Ring von 18 Platten umschlossen sind, so dass 9 Ringe entstehen. Der äuserste Ring umfasst 81 (9 × 9) Platten.

Die Gebetshalle für gute Ernten hat vier innere, zwölf mittlere und zwölf äußere Säulen, die die vier Jahreszeiten, die zwölf Monate und die zwölf traditionellen chinesischen Stunden repräsentieren. Zusammengefasst stellen die zwölf mittleren und zwölf äußeren Säulen die traditionellen Solarbegriffe dar. Alle Gebäude im Tempel haben spezielle dunkelblaue Dachziegel, die den Himmel darstellen sollen.

Die Sieben-Stern-Stein-Gruppe östlich der „Halle der Ernteopfer“ repräsentiert die sieben Gipfel des Taishan-Berges (泰山). Dieser Berg spielt eine ganz besondere Rolle bei der Himmelanbetungen im klassischen China.

Zeremonie
Im alten China wurde der Kaiser als der Sohn des Himmels angesehen, der irdische Angelegenheiten im Auftrag der himmlischen Autorität verwaltete und umsetzte. Im Himmeltempel musste der irdische Herrscher seinen Respekt vor dem himmlischen Herrscher, in Form von Opfergaben unter Beweis stellen, denn er konnte nur durch „Gottes Gnaden“ herrschen. Der Himmeltempel spielte dabei eine zentrale Rolle.

Zweimal im Jahr musste sich der Kaiser und sein engstes Gefolge von der Verbotenen Stadt durch Peking zum Himmeltempel aufmachen. In diesem wurde ein zeremonielles Lager errichtet, besondere Roben getragen und strikte Protokolle eingehalten. Kein gewöhnlicher Chinese durfte diese Prozession begleiten, geschweige denn die folgenden Zeremonien mitansehen. In der Tempelanlage betete der Kaiser persönlich zum Himmel für eine gute Ernte. Der Höhepunkt der jährlichen Zeremonie fand zur Wintersonnenwende statt, zu welcher der Kaiser auf dem Hügelaltar in direktem Kontakt mit dem Himmel stand. Die Zeremonie durfte nur in Anwesenheit des Kaisers vollzogen werden und deshalb war der Bereich selbst fürs engste Gefolge tabu. Während der gesamten Zeremonien lastet ein enormer Druck auf dem Kaiser, denn der kleinste Fehler wurde direkt als ein schlechtes Omen verstanden, welches das gesamte Reich im kommenden Jahr belasten würde.

Besonderheiten einer Tür
Unter dem strengen zeremoniellen Protokollen war es den Kaisern im alten China vorgeschrieben, wie und über welche Wege diese zu den Tempeln gelangen mussten. Für einen gesunden und jungen Kaiser war dieser vom Protokoll verbindlich vorgeschriebenen Weg kein Problem, aber für einen gealterten oder kranken Kaiser war dies teilweise ein sehr mühsamer Weg. Deshalb liess Kaiser Qianlong zwei Türen bauen. Die erste Tür wurde gebaut als er 62 Jahre alt wurde. Ein weiterer Nebeneingang wurde angelegt als er 70 Jahre alt wurde. Die erste Tür hieß „Huajia“ (Altchinesisch „sechzig Jahre alt“) und die zweite hieß „Guxi“ (Altchinesisch „siebzig Jahre alt“). Um zu verhindern, dass künftige Generationen faul sind und diese Türen ebenfalls nutzten, befahl der Kaiser, dass die nachfolgenden Kaiser die jeweilige Tür nur benutzen durften, wenn sie über 60 oder 70 Jahre alt geworden sind. Wie sich herausstellte, benutzte nur Kaiser Qianlong die Guxi-Tür und nur noch ein einziger weiterer Kaiser, Jiaqing, durfte/konnte die Huajia-Tür benutzen. Die anderen Kaiser wurden alle einfach nicht alt genug.

Park
Der umliegende Park ist mit insgesamt 267 Hektar sehr großzügig angelegt. Ein Teil davon besteht heute aus Spielplätzen, Sportanlagen und Erholungsmöglichkeiten. Diese Einrichtungen werden von den Pekingern gerne als Naherholungsgebiet genutzt. Besonders Eltern und Großeltern verbringen hier mit Vorliebe Zeit mit ihren Kindern und Enkeln zum Spielen und Toben. Einige der Freiflächen und Nebengebäude werden besonders am Morgen oft für Chorgesänge, traditionelle Tänze und andere Aufführungen verwendet.

Optiumkrieg und Neuzeit
Der Tempel wurde das erste Mal von der englisch-französischen Allianz während des zweiten Opiumkrieges (1856–1860) besetzt. Im Jahr 1900, während der Boxeraufstandes, besetzte die Koalition der „Vereinigten acht Staaten“ den Tempelkomplex erneut und funktionierten diesen in das Hauptquartier der ausländischen Truppen um, die dort für ein Jahr blieben. Die beiden Besatzungen entweihte den Tempel und die Besatzer fügten der Anlage schwere Schäden an den Gebäuden und den Gärten zu. Plünderungen von Tempelartefakten durch die Allianz fanden ebenfalls statt.

Mit dem Untergang der letzten chinesischen Dynastie der Qing im Jahre 1911 wurde der Tempelkomplex seinem Verfall preisgegeben. Die Vernachlässigung der Tempelanlage führte in den folgenden Jahren zum Zusammenbruch mehrerer Hallen und Gebäuden.

Im Jahr 1914 führte Yuan Shikai (袁世凯), damals Präsident der Republik China, eine Ming-Gebetszeremonie nach klassischem Stil im Tempel durch, die als Teil seiner Bemühung dienten, sich selbst zum Kaiser von China zu ernennen und sich so zu legitimieren. Seine Hongxian-Dynastie währte allerdings nur ein paar Monate, so dass der Tempel 1918 in einen Park umgewandelt und zum ersten Mal für die Öffentlichkeit geöffnet wurde. Es folgenden viele Renovierungs- und Instandsetzungarbeiten, so dass der Himmelstempel 1998 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde.